Montag, 12. März 2012

Einheitsbrei? PfuiBäh! Das schmeckt doch nicht!

"Du bist irgendwie anders!"

"Du denkst so viel... und auf was für schräge Sachen du kommst?!"

"Wie bist du den drauf?"
"Du hast dich verändert."


Wie oft höre ich diese, beziehungsweise ähnliche Fragen? Wie sehr sind diese Fragen in ihrer Häufigkeit in den letzten Monaten gestiegen? Ich habe aufgehört diese zwei Fragen, welche ich mir stelle, ernsthaft beantworten zu wollen. Sie stiegen in ihren Variationen und in ihrer Häufigkeit einfach immer weiter an. Auch die Zahl derer, welche diese Fragen stellen stiegt an. 

Aber wollen diese Fragen wirklich ehrliche Antworten oder sollen sie mir etwas sagen? Ich habe das Gefühl ich passe nicht mehr dazu. Wozu passe ich nicht mehr? Ja, das ist eine schwierige Frage.

Das Leben ist wie ein Buffet. Es scheint aber nur eine einzige Speise zu geben, dafür aber unheimlich viel davon. Das Leben ist ein riesen großes Buffet mit Einheitsbrei. Kein Grießbrei, kein Milchreis keine Häppchen, nur Einheitsbrei. Wohlgemerkt, er kostet nichts. Und irgendwie scheint es allen Anderen so furchtbar gut zu schmecken, dass sie sich alle samt auf dieses riesen Buffet stürzen. 

Warum ist es dann ein Buffet, wenn es nur Einheitsbrei gibt? Nun, den Einheitsbrei gibt es aus vielen schönen Schalen und Schüsseln. Und jeder Einheitsbrei ist mit einer anderen Farbe versetzt. Es gibt roten Einheitsbrei, blauen Einheitsbrei, gelben Einheitsbrei, rosa Einheitsbrei und sogar pinken Einheitsbrei, wobei dieser sich für mich nicht ganz vom rosa Einheitsbrei unterscheiden lässt. Aber gut, da zeigt sich mal wieder, dass ich wohl doch nur ein Mann bin. 

Nachdem nun alle an das Buffet rennen, und auch schnell jeder seinen Lieblingseinheitsbrei gefunden hat wage ich mich nun auch an die angerichtete Kost. Ich konnte mich natürlich nicht für eine Farbe, so wie die Anderen entscheiden und nahm von verschiedenen je einen Löffel. Ich ging mit meiner Regenbogenschüssel zurück an meinen Platz und probierte davon. 

Gelb, schmeckt nicht. Rot, schmeckt nicht. Grün, schmeckt auch nicht. Braun, schmeckt genauso wenig. Alles schmeckt gleich. Alles schmeckt nach Nichts und Nichts davon schmeckt mir. Ich bin gleich wieder zum Buffet gegangen und habe die Farben, welche ich beim ersten Gang nicht mitnahm auch noch probiert, keine schmeckte. Nichtmal unterschiedlich hat es geschmeckt. Grauenhaft!

Also, was habe ich gemacht? Ich bin zum Koch marschiert. "Koch," habe ich gesagt, "Koch, sag mal, hast du deine Speisen überhaupt gekostet?" Es schaut mich etwas irritiert an, ich glaube er hat nur sehr selten Besuch und meinte: "Von welchem Buffet hast du gegessen?" "Na, von welchem wohl? Von dem riesen, kunterbuntem Buffet, bei welchem trotzdem alles gleich, scheußlich schmeckt." Da nickte der Koch verständnisvoll und sagte lächelnd: "Ja, der Fraß hat mir auch nicht gemündet." Erstaunt von der Wortgewandtheit des Kochs, welche ihn mir tatsächlich sehr sympathisch machte musste ich mit ihm lachen. 

Er schien meine Enttäuschung über den, wie er ihn nannte "Fraß" zu teilen. Was aber postwendend mehr Fragen in mir aufwarf, als sie beantwortete. Ich sagte in einem von Irritation getränkten Wortlaut: "Ja, bist ez du der Koch oder net?!" Er meinte: "Doch ja, ich bin der Koch, sogar der einzigst richtige Koch." "Ja, aber warum kochst du dann Essen, welches dir nicht schmeckt? Wie soll das denn dann Jemanden anderen schmecken?" fragte ich. "Moment" erwiderte er, "wer sagt denn, dass ich diesen Fraß zubereitet habe?" "Hast du nicht?" "Nein, dieses Essen wurde von einem ehemaligen Lehrling von mir zubereitet. Der kann nicht mehr als diesen Einheitsbrei." "Ehemaliger Lehrling?" warf ich ein. "Ja, er hatte die Ausbildung bei mir abgebrochen. Er sollte sich nichts sagen lassen, konnte meine Tipps nicht annehmen und wollte von meinen Rezepten nichts wissen. Das Einzigste was er sich gut merken konnte, war das Verzieren, das Aufhübschen der Speisen, darin war er einer der Besten. Nur half ihm das nichts, da es einfach nicht schmeckte." erläuterte er.

"Aber warum schaufeln sich dann die vielen Anderen diesen Brei unaufhörlich in sich hinein?" fragte ich weiter. "Nun, das ist das Resultat der Verkümmerung, der Verdorbenheit des Geschmackssinnes derer, welche immer weiter schaufeln." entgegnete er mit einem bedauernden Ton. "Wenn sie sich von den bunten Farben leere Versprechungen machen lassen und blindlings darauflos schlingen, hat mein alter Schüler wohl sehr schnell einen großen Absatzmarkt gefunden. Schade eigentlich, verpassen sie doch den wahren Geschmack, die wahre Kost des Lebens." fügte er nach einem langem Seufzer an.

Allmählich begriff ich die ganze Geschichte. Dem Koch stand die Trauer deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich blickte etwas beschämt in der Gegend herum, ich wollte in dem Koch ja keine schmerzlichen Erinnerungen wecken. Da sah ich auf seinem Herd etwas köcheln. Plötzlich bemerkte ich auch den fabelhaften Geruch in der Küche. "Wahnsinn! Was riecht das lecker!" dachte ich." Etwas nervös wechselten meine Blicke zwischen dem köchelnden Topf und dem Koch hin und her und fragte den noch immer bedrückten Koch: "Hey, Koch! Was ist das da auf dem Herd? Hast du das gekocht?" "Joup! Das ist eine meiner berühmten Vorspeisen." meinte er und wirkte wieder etwas aufgehellt.

Mir lief das Wasser im Mund zusammen und mein Magen unterstrich dies mit einem lautem Knurren. Offensichtlich ist dieses Knurren auch nicht an dem Koch vorüber gegangen, lachte er doch und meine: "Willst du es noch einmal mit dem Einheitsbrei probieren oder willst du was gescheites essen?" "Boa, so genial wie das riecht, und wenn das so schmeckt? Darf ich davon kosten?!" bat ich ihn. Es drehte sich schweigend zu Seite, nahm einen tiefen Teller und füllte mir 3 Ganze Kellen seines gigantischen Löffels in den Teller. Er war randvoll als er ihn mir reichte. Ich konnte gar nicht warten, bis ich wieder an meinem Platz am Tisch bei den anderen saß, da musste ich schon probieren. 

Und ich sage euch, ich habe noch nie etwas besseres gegessen. Das ist das absolut, königlich beste Essen, welches meinen Gaumen je passiert hat. Meine Vorstellungskraft ist am Limit. Nichts geht über diese Vorspeise. Grandios! So grandios, dass ich gerade noch nicht einmal an die Hauptspeisen denke und normalerweise denke ich immer zuerst an die Hauptspeise. Aber ich wusste auch irgendwoher, dass die Hauptspeise noch nicht an der Zeit ist. Ich hab zwar gesehen, dass der Ofen an war, aber doch konnte ich nicht hineinblicken um zu sehen, was er da zubereitet. Doch bin ich mir sicher, dass er mich nun daran teilhaben lassen wird, wenn es soweit ist. "Welcher Koch würde denn nur eine Vorspeise servieren? Keiner, wenn dann, dieser gescheiterte Azubi, aber nicht der meisterhafte Koch der Vorspeise" dachte ich mir.

Voller Euphorie sprach ich zu den Anderen, welche noch den Einheitsbrei löffelten: "Hey, Leute, schaut mal, meine Vorspeise hier, das schmeckt viel besser als der Brei! Probiert doch mal!" Völlig aus dem Löffel-Konzept gerissen motzten sie: "Was? Das ist doch nur Suppe?! Also bitte.... Suppe... das ist doch was für Kranke, für welche, die nicht wissen was Geschmack ist." "Wie bist du den drauf, dass du Suppe isst?" rief ein Anderer. "Was ist aus dir geworden, dass du nun Suppe isst?" meinte wieder ein Anderer. Und ich, ich wusste mir nicht zu helfen.

"Geh doch weg mit deiner Suppe" rief ein Rot-Einheitsbrei-Esser mit vollem Mund. "Genau," plärrte ein Anderer rein, als er einen Löffel grünen Einheitsbrei hinab geschlungen hatte, "grüner Einheitsbrei, das ist etwas für wahre Leute mit Geschmack!" "Was? Grüner Einheitsbrei? Pfuibäh! Gelber Einheitsbrei, das ist was für Kenner!" Konterte ein Gelb-Einheitsbrei-Esser. Und mit der Zeit fanden sich immer mehr, welche sich in den Streit einklinkten und ihren Einheitsbrei als die einzig wahre Kost anpriesen. Dabei war ihr Geschmack rein von der Farbe beeinflusst, sie hatten keine Ahnung das sie alles das Gleiche aßen. Woher sollten sie es auch wissen. Für sie gab es nur einfarbigen Einheitsbrei. Und für die tatsächliche Kochkunst, für die tatsächlichen Kostbarkeiten des eigentlichen Kochs hatten sie keinen Gaumen.

Und ich? Ich habe lange versucht die Anderen von der Suppe kosten zu lassen, aber das machte es, so schien es, nur noch schlimmer. Irgendwann durfte ich dann nicht mehr mit ihnen an einem Tisch essen. War ich doch nur als Suppenschlürfer verschrien. Ich passte nicht mehr zu ihnen, meinten sie. Mir schmeckte ihr Einheitsbrei trotz alledem nicht, egal welche Farbe er hat. Und so sitze ich hier und schreibe meine Geschichte auf, in der Hoffnung, dass sie irgendwann jemand liest, der ebenfalls nach einem Löffel Einheitsbrei sein Gesicht verzog und meinte: "Bäh... igitt.... wie verkocht schmeckt  das den? 

Aber, dennoch lasse ich nicht nach,
Und ergäbe mich kampflos dieser Schmach, [ironie]

Dessen, keine Gemeinsamkeit mehr mit den Anderen zu haben,
Haben sie schließlich doch keine Ahnung von all den guten Gaben,

Welche sie stattdessen von ihren Teller essen könnten,
Und somit ihrem Leben wahre Köstlichkeiten gönnten.



servas & by niesreiz (original written by niesreiz)
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